Satan kam doch nicht bis Washington

Jan-Werner Müller lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte in Princeton. In einem Beitrag für die SZ befasst er sich mit der Vermischung von Kanzel und Politik in der USA:

Die Sozialwissenschaftler Robert Putnam und David Campbell haben kürzlich plausibel erklärt, die Verquickung von Religion und Politik in den vergangenen dreißig Jahren stelle eine Anomalie in der Geschichte der USA dar – die vielen Amerikanern ganz und gar nicht gefällt. Eine überwältigende Mehrheit wünscht, dass Predigten nicht für politische Messages missbraucht werden.

Die Republikaner sind in der Tat zur Partei der Evangelikalen geworden (deren Zahl seit den frühen neunziger Jahren stetig sinkt) – was allerdings auch bewirkt, dass sich vor allem immer mehr junge Bürger von allen Glaubensgemeinschaften abwenden. Die Generation der Zwanzig- bis Dreißigjährigen, so Putnam und Campbell, sei toleranter und setze inzwischen Religion als solche mit Bigotterie – vor allem Homophobie – und Fanatismus gleich. Die beiden Sozialwissenschaftler meinen somit nicht nur, dass eine Vermischung von Politik und Kirche der Religion schade, sondern dass politische Präferenzen religiöse Einstellungen entscheidend beeinflussten: nicht Atheisten wählen Demokraten, sondern Linksliberale haben irgendwann alles Religiöse satt.

Mehr: www.sueddeutsche.de.

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6 Kommentare
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Roderich
11 Jahre zuvor

Ja, die Kultur in USA war bis in die 50er/60er des 20. Jhds entscheidend vom biblischen Christentum geprägt. Dann kam ein immer stärkerer Säkularismus und säkularer Humanismus, v.a. an den Unis, in den Medien, unter Intellektuellen. Das beeinflußt natürlich auf Dauer auch die allgemeine Bevölkerung. Fernsehen, Internet etc. tun ihr übriges. Kurz gesagt, wenn die Medien im Griff von säkularen Humanisten sind, muss man sich nicht wundern, wenn Christen immer unbeliebter werden; natürlich werden sie gerade DANN noch unbeliebter, wenn sie wirklich Einfluss bekommen. Trotzdem machen manche Evangelikale in den USA wohl sicher manches falsch, weil sie zu kurzfristig denken. Evangelikale wollen den kulturellen Verfall im Hau-Ruck-Verfahren rückgängig machen, nur über den Weg „von oben“ über die Politik. Wie Dennis Peacocke sagte, ist das ein „Pie-Crust“-Christianity, also ein Christentum, wo zwar oben eine schöne Kruste auf dem Kuchen ist, aber wenn man reinsticht, sackt er in sich zusammen. Man kann ein Land nicht durch die Politik zur Umkehr bringen, sondern… Weiterlesen »

ernst
11 Jahre zuvor

“ Eine überwältigende Mehrheit wünscht, dass Predigten nicht für politische Messages missbraucht werden.“
DAs ist eine sehr nachvollziehbare Auffassung und das wünschen vermutlich nicht nur Menschen in den USA!

@ Roderich: Dass die „Kultur in USA (…) bis in die 50er/60er des 20. Jhds entscheidend vom biblischen Christentum geprägt“ gewesen sei, halte ich indes für sehr fragwürdig und eine sehr ´beschönigende´ Sicht. Die historische Realität jener Zeit mit den (überaus schwammigen) Begriffen von Säkularismus und Humanismus beschreiben zu wollen, kann nur in die Irre führen.

Roderich
11 Jahre zuvor

@Ernst, sage dann auch ruhig, wie Du es anders formulieren würdest. Natürlich war USA nie vollkommen „biblisch“, aber in den 1950ern/60ern schon wesentlich näher dran als heute. Man lese mal das Buch „The Christian Life and Character of the Civil Institutions of the United States“ von Benjamin F. Morris (Ein Klassiker aus dem Jahre 1863, ein Wälzer mit über 1000 Seiten, aber leicht zu lesen – am billigsten zu bestellen, glaube ich, bei Americanvision.com direkt, per Airmail, oder bei Amazon). Da geht es darum, dass die Verfassung, die Gesetze, die Politik, die gesellschaftlichen Institutionen, die Kultur, wesensmäßig vom biblischen Christentum geprägt waren. Natürlich hat das bis 1950 weiter nachgelassen, denn es gab ja keine größere Erweckung mehr. (Und natürlich gab es auch Misstände, die zum Glück heute z.T. abgeschafft sind – manches wird also auch besser.). Und noch etwas: Eine überwältigende Mehrheit wünscht, dass Predigten nicht für politische Messages missbraucht werden. Das müßte man differenzieren. Nicht jede Predigt über das… Weiterlesen »

ernst
11 Jahre zuvor

@ Roderich: ich muss gestehen, dass ich generell Probleme mit dem Ausdruck „biblisches Christentum“ habe. Ich habe es persönlich mehrfach so erlebt, dass diejenigen, die davon sprechen, anderen Christen nur zeigen wollen, dass sie (d.h. die anderen) nicht richtig liegen. Dieser Begriff wurde (und wird) also in exklusiver Funktion verwendet. Aber was heißt es denn konkret, „dass die Verfassung, die Gesetze, die Politik, die gesellschaftlichen Institutionen, die Kultur, wesensmäßig vom biblischen Christentum geprägt waren“? Der Verfasser dieser Schrift mag ja dieser Auffassung sein, aber Du sprichst ja auch von Misständen, die es gegeben habe. Ich vermute, dass Du darunter z.B. zählst, dass Schwarze und Indianer lange Zeit keine Bürgerrechte besaßen – Biblisches Christentum? Wer wollte/könnte denn z.B. Thomas Hobbes´ „Leviathan“ nach (vermeintlich) „biblischen“ Kriterien messen? Und doch stellt er einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Staates dar. Wir müssen viel demütiger und zurückhaltender sein. (Übrigens: Es gibt christliche Kreise, die (bis heute) die Vorstellung von geistlichen „Führern“ als biblisch ausgeben… Weiterlesen »

Roderich
11 Jahre zuvor

@Ernst, Klar, die Rassentrennungsgesetze waren keineswegs biblisch begruendbar. Ein Schandfleck der Geschichte der USA. Wer aber nur auf die kleinen Flecken schaut und dabei das grosse Gesamtbild uebersieht, geht fehl. Lies mal das Buch, es kann manche Augen oeffnen. Du sagst, wir muessen demuetiger werden. Ich sage: wir muessen uns weiterbilden. Tatsachenverleugnung aus Unwissenheit ist keine Demut, sondern Torheit. Wir muessen unser historisches Erbe wiederentdecken. Die guten Errungenschaften des Christentums zu verschweigen, ist ein Geringschaetzen der Wirkungen des Heiligen Geistes in der Geschichte der westlichen Welt und koennte Suende sein, wenn es wissentlich geschieht. Bei den meisten Christen ist historisches Unwissen die Ursache – auch das kann Suende sein, wenn es auf geistige Traegheit zurueckzufuehren ist. Nicht alle gedanklichen Errungenschaften gehen auf das Christentum zurueck, das ist klar, aber wenn man Alvin Schmidts Buch ‚Wie das Christentum die Welt veraenderte‘ oder Francis Schaeffers ‚Wie koennen wir denn leben‘, dann wird einem bewusst: wir brauchen uns als Christen nicht zu verstecken.… Weiterlesen »

ernst
11 Jahre zuvor

@ Roderich: Du schreibst: „Vielleicht haben wir eine verschiedene Auffassung von Demut.“ Das ist gut möglich. Und ich verstehe wirklich nicht, wie Du DEMUT mit „Tatsachenverleugnung aus Unwissenheit“ zusammenbringst? (Zumindest sehe ich das für mich nicht gegeben.) Es scheint mir auch, dass Du sozusagen ´böse Geister´ witterst, wo keine sind:“Heute wird die Geschichte zuungunsten der Christen geschrieben und interpretiert“, sagst Du, aber WER schreibt denn? Geschichte wird immer von Menschen geschrieben; und Geschichte existiert nicht losgelöst von denjenigen, die sie schreiben! ´Geschichte´ ist also IMMER auch Interpretation. Ich gebe Dir insofern recht: Christen sollten sich viel mehr mit ´Geschichte´ auseinandersetzen. Vielleicht auch die großen Beiträge der christlichen Kultur würdigend ins Licht rücken. Ich höre aber einen apologetischen Unterton in Deinen Zeilen: Solange das Chisitentum den Ton angab, war alles gut? DAS wäre aber zu einfach. Das Christentum hat große Verdienst für die Abendländische Geschichte (auch wenn die Humanistische Union pausenlos was anderes trommelt) und gleichzeitig war es in bestürzender Weise… Weiterlesen »

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